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Angst – verlieren wir das Urvertrauen? Das ist...

Angst – verlieren wir das Urvertrauen?

Das ist der erste Eintrag im Blog meiner Tierheilpraxis – und weit und breit kein Tier zu sehen! Klingt nach einer klaren Themaverfehlung, oder? Doch auf den zweiten oder sogar dritten Blick offenbart sich hier die Ganzheit: Mensch und Tier als Einheit. Das bedeutet, wir müssen an uns arbeiten, denn ohne Veränderung in uns kann sich das Tier im Verhalten nicht ändern – kann eine Krankheit sich nicht verändern. Und nun … was hat das Ganze mit Angst und Urvertrauen zu tun?

Lange brodelt es schon in mir, Wege zu finden, Menschen Ängste zu nehmen. Täglich erlebe ich die nackte Angst in der Praxis. Vor Krankheit, vor Kontrollverlust, vor Veränderung und vor Abschied. Aber wie sollen wir auch keine Angst haben, durch die anerzogene Prägung, die Medien, die Schnelllebigkeit der Welt und ihre Veränderungen wird uns die Angst täglich aufs Brot geschmiert – wir fragen uns zurecht: Wem kann man noch vertrauen, was ist noch sicher?

Bei meinem derzeitigen Umzug habe ich ein Kinderbuch von Janosch wiederentdeckt. Das hat mich dazu inspiriert, diesen Text zu schreiben. Wenn ich auch nur einem Menschen damit helfe, ist viel gewonnen.

In diesem Buch ziehen die Hasenkinder in die Welt. Sie wissen Bescheid über den Fuchs und lernen auf ihrer Reise viele weitere Gefahren kennen, vor denen sie richtig bibbern müssen. Letztendlich ist da noch Jochen Gummibär, der kleinste Hase, der aber vor nichts Angst hat. Auch wir lernen unser ganzes Leben lang, wann wir vorsichtig sein müssen, wo Gefahr droht und wann wir uns richtig zu fürchten haben. Die Rechnung geht auf, denn wir haben Angst – jeden Tag. Kleine Ängste, mittlere Ängste, große Ängste, die alle unseren Alltag in gewisser Weise bestimmen. Doch wenn wir uns fragen, ob die Angst denn wirklich einen Sinn hat, dann wird klar: nein – ganz und gar nicht. Denn sie trübt unseren Blick, schränkt unser Gesichtsfeld ein, verändert unser Denken, passt unser Verhalten an, verringert unser Selbstbewusstsein. Angst macht uns passiv, Wut gegen uns und andere wird geschürt.

Am Ende des Buches stehen die Hasenkinder vor der Gefahr und können sie nicht erkennen, weil ein bestimmtes Detail fehlt. ;-) Doch Jochen Gummibär, der kleinste Hase, der der vor nichts Angst hat, der erkennt die Gefahr und holt Hilfe. Warum erkennt nun Jochen Gummibär die Gefahr? Es ist ganz simpel – er hat keine Angst. Daher ist er klar im Kopf, er wägt alle Aspekte ab, er handelt … Aber nun könnte man sagen, er ist genauso ein Hase wie alle anderen, ist in der gleichen Familie aufgewachsen und hat die gleiche Reise mitgemacht. Die gleichen Eindrücke, aber eine vollkommen andere Sichtweise. Was ist der Unterschied? Das Vertrauen – das Urvertrauen macht den Unterschied.

Urvertrauen bedeutet, dass wir daran glauben können, dass alles gut wird, dass es das Schicksal gut mit uns meint. Wir uns geborgen und sicher fühlen können. Dass die Grundangst in den Hintergrund tritt.

Im Buch wird ebenfalls klar, wir können uns auf unser Schicksal und das Leid, dass wir erleben, nicht vorbereiten. Wer weiß schon, wenn er den kleinen niedlichen Welpen kauft, dass in ein paar Monaten die Krankheit das halbe Leben des Hundes bestimmt und die ganze Familie darunter leidet und sich einschränken muss, viel Geld und Zeit investieren muss? Keiner weiß das. Wenn wir uns in einem solchen Fall nun von der Angst unterdrücken lassen, Zeitdruck machen, von anderen belehren lassen, werden wir nicht weit kommen. Überwinden wir die Angst, können wir eigenmächtig handeln, Entscheidungen überdenken, Meinungen einholen, verschieden Aspekte betrachten und letztendlich richtig und ohne Reue handeln. Warum schreibe ich das so: bei mir in der Praxis höre ich immer und immer wieder, was der Mensch nicht alles bereut, dies und dies getan zu haben, zu schnell gehandelt zu haben, das alles nicht überdacht zu haben. Fragt man genauer nach, warum jemand so gehandelt hat, steckte die Angst dahinter, alles falsch zu machen, zu langsam zu handeln, etwas zu verpassen. Weil von jeder Seite Angst gemacht wird, sei es durchs Internet oder die Mitmenschen. Jeder kennt eine neue Spukgeschichte, was nicht alles mit unserem Tier los sein könnte.  Aber wichtig ist es doch, Mut zu machen und keine Angst zu verbreiten. Gegenseitig unterstützen und nicht noch andere blöd aus der Wäsche gucken zu lassen. Wer kennt diesen Moment nicht, wie ein nasser Sack stehen gelassen zu werden - ohne Erklärungen und mit vielen offenen Fragen, die zur innerlichen Verzweiflung führen.

Ich kann nur appellieren, offen für alles zu sein. Haben Sie keine Angst, machen Sie sich Gedanken, holen Sie verschiedene Meinungen ein, aber lassen Sie sich dadurch nicht verunsichern. In den meisten Fällen wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Machen Sie selbst und lassen Sie nicht machen. Seien Sie mutig! Nur Sie werden den richtigen Weg für Ihr Tier finden – keiner sonst. Denn nur Sie kennen alle Umstände und wissen, was Sie leisten können und wollen.  Ich unterstütze Sie gerne auf diesem Weg, wenn Sie sich darauf einlassen möchten.

Doch Sie werden merken, so einfach ist das nicht. Denn natürlich werden wir nicht von heute auf morgen unser Urvertrauen finden und ohne Furcht durch die Welt schreiten. Aber vielleicht ist dieser Text der erste Anstoß dazu, sich selbst zu beobachten, sich die eigenen Ängste bewusst zu machen und darüber nachzudenken, ob sie wirklich sinnvoll sind, und sich letztlich Unterstützung und Hilfe zu holen. Schon Laotse sagte: „Der Weg ist das Ziel.“ Klares Denken, innere Ruhe und Freude werden dann nicht nur uns, sondern auch unsere Tiere einnehmen. Und wie ich schon zu Anfang schrieb, ohne Veränderung in uns gibt es keine Veränderung im Tier.

C.H.H.

Bibliographie: Hasenkinder sind nicht dumm (Janosch, 1988)

 

194 Kommentare
  • Wesley
    gepostet am 31.03.2017

    Liebe Christine, mit großem Interesse habe ich hier den 1. Beitrag gelesen und ich möchte Dir danken!!! Deine Worte sind soooo wahr und ich glaube, ich kann hier aus eigener Erfahrung sprechen. Angst ist ein gewaltiger Hemmschuh... Wäre ich nach der Diagnose von Wesley zu schnell gewesen, hätte ich übermäßig Angst gehabt - wir wären heute nicht da, wo wir sind. Durch Deine Hilfe geht es meinem Buben heute super und dafür kann ich nicht genug danken! Mach einfach weiter so - ich wünsche Dir ganz viel Glück! Liebe Grüsse, Petra und Wesley

  • Angst-ein grosses Thema
    gepostet am 16.07.2017

    Hallo Christine, Ein guter Beitrag und sehr wertvoll . Ich erlebe auch sehr oft in der Beratung , dass Tierbesitzer aus Angst heraus Dinge tun/ Probleme lösen, die sie -wenn entspannt - anders handhaben würden. Ich verstehe diese Angst nur zu gut. Angst per se ist nicht schlecht, hat sie uns evolutionsbiologisch betrachtet mitunter auch das Leben gerettet. Angst empfindet jeder in seinem Leben, doch ist der Umgang mit derselben das Wichtige. Wenn Angst übermächtig wird und unser Denken und Handeln bestimmt, dann ist sie nicht hilfreich....eine solche Angst bedarf professioneller Hilfe, zumal sie auch für den Betroffenen eine grosse Belastung ist....und ich stimme dir voll und ganz zu, den Mut zu haben, sich Hilfe zu holen, auch den Mut zu haben, seine Ängste zu formulieren, auszusprechen...denn Angst ist kein Zeichen von Schwäche...ich spreche das Thema Angst ( beim Hundehalter) sehr oft an in der Beratung und mitunter öffnet sich dankbar eine verschlossene Tür....und ich befinde mich plötzlich in einer anderen Beratung.......ich freu mich, dass du diesem Bereich in deiner Tätigkeit einen großen Raum bietest.....passiert selten....... doch begeben wir Tiertherapeuten uns damit mitunter auch auf schwieriges Terrain.....auch für uns ist unsere ureigene Auseinandersetzung mit dem Thema essentiell......ein Kreis schliesst sich ...der Kreis des Ganzheitlichen....wir sind nicht getrennt von unseren Tieren, von der Welt....um deine Worte nochmal aufzunehmen. Liebe Grüsse von Andrea und Emily.

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